Arztstrafrecht-ESchG

Embryonenschutzgesetz (ESchG) im Arztstrafrecht


Das ESchG ist ein Strafgesetz für das Gebiet der Reproduktionsmedizin (Fortpflanzungsmedizin). Es regelt die extrakorporale Erzeugung menschlichen Lebens bei der In-vitro-Fertilisation (IVF). Die zentralen Strafvorschriften finden sich in § 1 ESchG (mißbräuchliche Anwendung von Fortpflanzungstechniken) und in § 2 ESchG (mißbräuchliche Verwendung menschlicher Embryonen). Was unter einem Embryo im Sinne des Embryonenschutzgesetzes zu verstehen ist, definiert § 8 Abs. 1 ESchG. Danach beginnt der strafrechtliche Schutz des Embryos zu einem sehr frühen Zeitpunkt.

Die Rechtsunsicherheit für behandelnde Ärzte aufgrund des Embryonenschutzgesetzes wird seit langem erheblich kritisiert. Mit den Strafbarkeitsrisiken für Reproduktionsmediziner ist auch die Rechtsprechung befasst:
Das Kammergericht Berlin hat 2013 entschieden, dass Ärzte, die in Deutschland eine vorbereitende Behandlung (für eine im Ausland durch andere Ärzte durchgeführte Eizellspende bzw. Behandlung im Wege der Übertragung auf andere Frauen und Befruchtung der gespendeten Eizelle) vornehmen, eine strafbare Beihilfehandlung gem. §27 Abs. 1 StGB, § 1 Abs. 1 Nr. 1, 2 ESchG begehen, wenn es nach ihrer vorbereitenden Behandlung tatsächlich zu einer Eizellspende bzw. Behandlung einer anderen Frau (Empfängerin) im Wege der Eizellspende komme. Der BGH ließ diese Frage in seinem Urteil indes offen (BGH, Urt. v. 08.10.2015 – I ZR 225/13).
Umstritten ist insbesondere, ob die Spende von 2-PN-Zellen (kryokonservierten imprägnierter Eizellen) nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchG strafbar ist. Ausschlaggebend ist das Vorliegen des Befruchtungszeitpunkts. Das Landgericht Augsburg hat 2018 entschieden, dass die Befruchtung bei 2-PN-Zellen bereits mit der regelrechten Bildung der beiden Vorkerne vollendet ist, weshalb die Spende imprägnierter Eizellen straflos sei (Landgericht Augsburg, Urt. v. 13.12.2018 – 16 Ns 202 Js 143548/14).

Seit 2011 ist auch die Präimplantationsdiagnostik (PID) durch das ESchG grundsätzlich unter Strafe gestellt, also die genetische Untersuchung von Zellen eines Embryos in vitro vor seinem intrauterinen Transfer (§ 3a Abs. 1 ESchG). Nach § 3a Abs. 2 und 3 ist die PID nur in den dort genannten, engen Ausnahmefällen zulässig. Der Gesetzgeber hat allerdings offen gelassen, wann etwa eine „schwerwiegende Erbkrankheit“ vorliegt, wann von einer „hohen Wahrscheinlichkeit“ auszugehen ist oder was unter einer „schwerwiegenden Schädigung“ zu verstehen ist. Die Auslegung vieler Gesetzesbegriffe ist deshalb umstritten und bietet Ansatzpunkte für die Verteidigung. Ergänzt wird § 3a ESchG durch die Verordnung zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik (PIDV), die etwa die Qualifikation der Ärzte regelt. Verstöße nach § 3a Abs. 3 ESchG werden nach § 3a Abs. 4 ESchG als Ordnungswidrigkeiten mit Bußgeldern verfolgt.

Der Bayrische Verwaltungsgerichtshof hat 2015 festgestellt, dass eine Trophektodermbiopsie, bei der etwa fünf Tage nach der Befruchtung Trophoblastzellen entnommen und genetisch untersucht werden, Zellen eines Embryos i.S.d. Strafvorschrift des § 3a Abs. 1 ESchG betrifft (BayVGH, Beschluss v. 27.10.2015 – 20 CS 15.1904).

Nach einem weiteren Urteil des Bayrischen Verwaltungsgerichtshofs von 2018 umfasst § 3a Abs. 1 ESchG jede Art von Zellen, die zum Embryo in seiner im Zeitpunkt der Entnahme (Biopsie) der untersuchten Zellen von der Umgebung des Embryos abgrenzbaren Form gehören. Ob diese Zellen (noch) totipotent, pluripotent oder nicht mehr pluripotent sind, sei im Rahmen des § 3a Abs. 1 ESchG ohne Bedeutung. Bei einer Biopsie im Blastozystenstadium  gehörten daher zu den „Zellen eines Embryos" im Sinne von § 3a Abs. 1 ESchG alle Zellen dieser Blastozyste. Welcher Zweck mit einer Präimplantationsdiagnostik verfolgt werde, sei im Rahmen des § 3a Abs. 1 ESchG ohne Bedeutung (BayVGH, Urteil v. 30.11.2018 – 20 B 18.290).

Gerade im Arztstrafrecht zeigt die Erfahrung, dass die frühzeitige Beratung und Erarbeitung einer Verteidigungsstrategie sinnvoll ist, auch um drohende Reputationsverluste so weit wie möglich abzuwenden. Grundsätzlich gilt, dass vor Einsicht in die Ermittlungsakte keine Einlassung zur Sache abgegeben werden sollte. Andernfalls ist die Gefahr einer Selbstbelastung oder möglicher Widersprüche mit den Ermittlungsergebnissen groß. Unbedachte Äußerungen gegenüber den Ermittlungsbehörden sind deshalb unbedingt zu vermeiden.
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Rechtsanwältin Dr. Meller ist Mitverfasserin der „Rechtsprechungsübersicht zum Arztstrafrecht", die in der juristischen Fachzeitschrift NStZ (Neue Zeitschrift für Strafrecht) beim C.H. Beck Verlag München erscheint, zuletzt erschienen in: NStZ 2018, 640 ff.

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